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Der Markgrafenstil, die Familie von Zocha und die Walder Kirche

 

Seit der Reformation suchte man in der evangelischen Kirche, also auch im Fürstentum Brandenburg-Ansbach, nach einem Kirchenbaustil, der den Besonderheiten des evangelischen Glaubens entgegenkam. Man wurde bei diesem Vorhaben immer wieder durch Glaubenskämpfe, insbesondere aber durch den Dreißigjährigen Krieg, behindert. Kaum hatte man sich von dessen Folgen einigermaßen erholt, so brachten neue Kriege wie der Spanische Erbfolgekrieg neue Belastungen für das Land. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts war man in der Lage, diese Absicht in die Tat umzusetzen.

Welche Elemente sind es nun, die den Markgrafenstil ausmachen? Im katholischen Glauben war und ist das Altarsakrament das Wesentliche im Gottesdienst. Deshalb steht der Altar als Ziel- und Richtpunkt in der Kirche, die Kanzel tritt dagegen zurück. In der reformierten Kirche wird das Wort Gottes allein in den Vordergrund gerückt, deshalb wurde der Altar in seiner architektonischen Gestaltung zurückgedrängt und die Kanzel dagegen stark hervorgehoben. „Für die lutherische Kirche ist der Altar als Stätte der Sakramentsfeier und der Anbetung Gottes ebenso wie für die katholische Kirche Ziel- und Richtpunkt. Aber gleichwertig tritt ihm die Kanzel als Ort der Predigt zur Seite.“

Aus diesen beiden Forderungen wurde architektonisch eine Anordnung der Kanzel senkrecht über dem Altar im Blickpunkt der Kirche, der sogenannte Kanzelaltar, entwickelt.

Um möglichst viele Zuhörer sehr nah an den Kanzelaltar heranzubringen, bediente man sich der Erfahrung aus dem französischen Theaterbau, man führte die Emporen in den Kirchenbau ein. Der Effekt der besten „Kanzelaltarnähe“ erhöht sich noch durch die Einführung der T-Form des Kirchenbaukörpers. Durch Emporen und die T-Form gelingt es auch, eine größere Zuhörerzahl auf einer kleinen Baufläche unterzubringen. Wesentlich wurde dieser Stil auch durch den französischen Klassizismus geprägt. Bei diesem Stil besann man sich wieder auf das Vorbild der Renaissance, die griechische Antike. Man war der dekorativen Überladung schon sehr früh überdrüssig geworden. Der hervorragendste Vertreter dieser Stilrichtung war François Mansart (1593 – 1666). „Großen Wert legte er bei seinen Bauten auf das rhythmische Gleichmaß und fein abgewogene Proportionen, hatte ein feines Gefühl für Raumwirkung... er war auch in der Anwendung der Dekoration, besonders an der Außenseite, sehr sparsam.“ Bei der inneren Gestaltung der Kirche lässt sich nur bei Kanzel, Altar, Orgelprospekt und dem Taufstein zur Hervorhebung ein Einfluss des Barocks feststellen. „In der sonstigen Ausgestaltung des Kircheninneren aber begegnen wir ebenso wie beim Äußeren der Kirche dem Einfluss des Klassizismus. Während im katholischen Kirchenbau jener Zeit die farbige Behandlung und strahlende Helle stark hervortritt, weicht sie einem stumpfen Weiß, noch öfters einem eintönigen Grau der Kirchenwände, das höchstens durch ein mattes Blau der eingebauten vergitterten Stände etwas gemildert wird. Dadurch entsteht ein überaus nüchterner Eindruck, zudem da auch sonst alles Dekorative, das damals so reich verwandt wurde, ganz zurücktritt. Der Raum soll nur durch seine feine Linienführung und die sorgfältig ausgedachte Proportionalität seiner Masse wirken. Für den ungeschulten Betrachter, dem das Auge für diese Feinheiten fehlt, wirkt der Raum deshalb recht kahl und matt.“

Zu diesen Elementen im Kirchenbaustil der evangelischen Kirche im Fürstentum Brandenburg-Ansbach kommt noch ein wesentliches Element, das dem des französischen Klassizismus sehr entgegenkommt. Das ist die Strenge des alten fränkischen Baustils mit seinen klaren Linien, seiner Symmetrie und seinem Hang zum Nüchternen, ja Sparsamen.

Zusammenfassend kann man über den Markgrafenstil sagen: „In ihm verschmelzt sich der Geist des Klassizismus und des Barocks mit dem des fränkischen Landes. Hier wirkt sich aber nicht nur die herbe Strenge dieser Landschaft, sondern zugleich auch die einfache, klare, geistige Art des lutherischen Gottesdienstes aus

Nicht so leicht anderwärts war die entschieden lutherische Art des Gottesdienstes so unvermengt mit reformierten Bestandteilen gewahrt worden wie hier.“

Alle diese Stilelemente sind in hervorragender Weise in der Walder Markgrafenkirche verwirklicht. Dieser Kirchenbau, begonnen im Jahr 1722 und fertiggestellt im Jahr 1724, erhielt eine T-förmige Anlage, die typisch klassizistische Schaufassade mit dem mächtigen Rundbogenfenster über dem einfach gehaltenen Portal schließt mit einem Dreiecksfronton ab und ist mit doppelten Ecklisenen geschmückt. Der Kirchenkörper hat ein Mansardendach. Auch der typische Kanzelaltar im Blickpunkt mit seiner Andeutung von Barockstilelementen ist modellhaft eingebaut. Sogar der barocke Taufstein in Form einer von einer Putte getragenen Schale ist noch vorhanden. Leider ist er wegen einer Stiftung um die Jahrhundertwende aus der Hauptachse der Kirche verbannt worden.

Dass diese Kirche in Wald steht, ist kein Zufall. Wir haben sie den beiden ortsansässigen Brüdern Johann Wilhelm und Carl Friedrich von Zocha zu verdanken. Sie waren es, die diesem neuen Stil, dem Markgrafenstil, zum Durchbruch verhalfen.

Walder Schloß Kavaliershäuschen Kavaliershäuschen

Die ursprünglich aus Sachsen stammende Familie von Zocha kam über das Fürstentum Oettingen in das Fürstentum Brandenburg-Ansbach und wurde im Jahr 1626 mit dem Rittergut Wald und Laufenbürg belehnt. Ludwig von Zocha erlangte die „zum löblichen Canton an der Altmühl gehörigen beyden unmittelbaren Reichsgüter Wald und Lauffenbürg.“ Er war brandenburg-ansbachischer Hofrat und Amtmann in Gunzenhausen. Für Wald und das gesamte Fürstentum Brandenburg-Ansbach waren besonders dessen beide Enkel Johann Wilhelm von Zocha und Carl Friedrich von Zocha von Bedeutung. Beide wirkten an der Entwicklung des sogenannten Markgrafenstils entscheidend mit, besonders bei der Herausbildung des Kirchenbaustils.

Johann Wilhelm von Zocha wurde 1680 in Gunzenhausen geboren. 1704 dimittierte er als Kammerjunker, um an anderen Höfen sein Avancement zu machen. Wahrscheinlich hat er auf diesen Reisen den französischen Klassizismus kennengelernt. Als er nach acht Jahren zurückkehrte, wurde er 1712 zum Oberamtmann von Röckingen und Wassertrüdingen ernannt. Seine Berufung zum Obristbaudirektor hat er sicher seinem französischen Geschmack zu verdanken, den besonders die Markgräfin Christiane Charlotte liebte. Sein Vorgänger im Amt, Gabrieli, musste, weil er den veralteten italienischen Stil vertrat, gehen.

Obwohl Johann Wilhelm von Zocha kein gelernter Architekt war, er war Jurist, hat er einige gut gelungene Werke geschaffen. Das Prunkstück des heutigen Schwabacher Marktplatzes, der gut restaurierte schöne Brunnen, ist von ihm gebaut worden. „Dieses Brunnen-Gebäude ist von Herrn Johann Wilhelm von Zocha, Sr. Hoch-Fürstl. Durchl. Rath, obersten Bau-Director und Ober-Amtmann zu Wassertrüdingen und Röckingen, inventiret, und durch dessen Direction angefangen und vollendet worden.“ Als sein bestgelungenes Bauwerk gilt jedoch das Präsidialgebäude in Ansbach. Ansonsten erreichte er nicht die Leistungen seines jüngeren Bruders, der ausgebildeter Architekt war. Über das Ableben Wilhelm von Zochas berichtet das Walder Sterberegister, dass er auf einer Reise nach Italien in Lyon in Frankreich erkrankt und dort gestorben und begraben worden sei. Sein Herz habe man jedoch herausgenommen, „ins Vaterland gebracht, auch hier am Mittwoch, den 1. Mart. 1719, hinter dem Altar in der Kirche beigesetzt.“

Carl Friedrich von Zocha wurde am 1. Juli 1683 in Gunzenhausen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Gießen und Halle und widmete sich in Paris neben dem Studium der Mathematik besonders der Architektur. Er wurde so zum Schüler der ersten Hofbaumeister des Sonnenkönigs, Robert de Cotte (gestorben 1735) und Jules Hardouin Mansart (gestorben 1708). Er muss beide sehr verehrt haben, denn beider Bilder fanden sich in seinem Nachlass. Nach dem Tod seines Bruders übernahm er 1719 dessen Amt. „Jetzt stand wiederum ein Fachmann an der Spitze des Hofbauamtes, und zwar ein Mann, der sich dem Einfluss der italienisch-süddeutschen Barockbaubestrebungen bewusst entzogen hatte und das Bauen im Ansbacher Land französisch orientierte.“ Auch er war deshalb beliebt bei der Markgräfin Christiane Charlotte, die vom baufreudigen und kundigen Ludwigsburger Hof kam. So konnte er viele Bauten ausführen, darunter 52 Kirchenausbauten, 16 Neubauten von Kirchen, die Nord- und Westseite des Markgrafenschlosses und vor allem die Orangerie des Ansbacher Hofgartens nach dem Vorbild der Louvre-Kolonnaden. Dieses Bauwerk kann wohl als sein bestgelungenes bezeichnet werden. Aber auch viele Privatbauten wurden von ihm entworfen und gebaut, darunter das eigene Schloss in Wald, das im Jahr 1732 neu erbaut wurde, nachdem die Franzosen 1706 das vorherige Gebäude zerstört hatten. Auch hier versuchte Zocha nach französischem Vorbild zu bauen. Dass die Anlage kleiner und bescheidener ausfiel als die entsprechenden französischen Vorbilder, liegt bei den beschränkten Mitteln der Familie auf der Hand. Darauf kam es aber bei diesem Meister der ausgewogenen Maßverhältnisse gar nicht an, sondern mehr auf die Proportionen. Und so entstand mit einem guten Schuss fränkischer Einfachheit und Sparsamkeit hier in Wald ein Schlösschen mit Hauptbau und zwei Kavaliershäuschen, das nicht durch Größe und Pracht wirkt, sondern eher durch das Gegenteil, Bescheidenheit und klare Maßverhältnisse, so wie es der Markgrafenstil vorschreibt.

So hat sich hier in Wald mit der Kirche, dem Schloss mit seinen Nebengebäuden und seinem Amtshaus ein Ensemble erhalten, das auch heute noch ein klares Bild des Schaffens der hier gesessenen Familie von Zocha gibt.

Carl Friedrich von Zocha stand dem Baudirektorium bis 1732 vor. „Er ging in vollen Ehren ab, indem ihm das Oberamt Crailsheim, eines der wichtigsten und einträglichsten, verliehen worden war... Zum Baudirektor wurde Retty ernannt, ihm die Leitung des ganzen Bauwesens unterstellt. Die Tradition der Zochaperiode und ihrer Schule war im Baudirektorium noch notwendig für die Vollendung der zahlreichen halbfertigen Bauwerke, auch wirksam durch den seit fünf Jahren dort tätigen Landbauinspektor Johann David Steingruber, mit welchem Schüler Zochas nun Retty bestens zusammenzuarbeiten verstand.“

Zocha zog sich im Lauf der Jahre immer mehr ins Privatleben zurück. Über sein Ableben berichtet die Walder Sterbematrikel: „Carl Friedrich von Zocha ist in Ansbach Donnerstags den 24. Juli 1749 Todes verblichen, Montags, den 28. hierhergebracht und in der Familiengruft beigesetzt worden, 66 Jahre alt, der Letzte seines Stammes.“

Mit den Gebrüdern Zocha wurde im Fürstentum Brandenburg-Ansbach mit Unterstützung der Markgrafen dieser besondere Stil, der Markgrafenstil, eingeleitet. Es ist nicht viel Persönliches von ihnen bekannt, sie wirken nur durch ihre Werke. So schreibt Sperl über ihr Werk und das ihrer Nachfolger: „Wir dürfen mit allem Recht die Männer, deren Schaffen wir nachgegangen sind von den Gebrüdern Zocha an bis zu D. Steingruber, vor allem aber den bedeutendsten in ihrer Mitte Leopoldo Retti, Meister der Linie nennen ... Die Männer verzichten auf die Schmuckformen ihrer Zeit, ihre Innenräume machen den Eindruck der Nüchternheit, ihre Fassaden gelten als schmucklos. Höher steht ihnen die Aufgabe, ein dem Wesen des protestantischen Gottesdienstes entsprechendes Gotteshaus zu schaffen... So verschieden die Männer nach Stand und Herkunft, nach Vorbild und Lebensführung waren, so schritten sie doch im Gleichschritt dahin und prägten dem Bauwesen des fränkischen Landes den einheitlichen Geist auf.“

Auch bei vielen Privatbauten in der Stadt Gunzenhausen war ihr Einfluss und der Johann David Steingrubers dominierend.